Resolution zur abgesagten Bilanzsitzung des Runden Tisches

Soeben hat eine Allianz von Betroffene sexualisierter Gewalt und sexuellen Missbrauchs im Kindesalter wegen der Absage des Bilanztreffens des Runden Tisches "Sexueller Kindesmissbrauch" eine Resolution verabschiedet und an die drei federführenden Ministerinnen Frau Dr. Schröder, Frau Leutheusser-Schnarrenberger und Frau Prof. Dr. Schavan versandt.

Hier ist der Text der Resolution:

Gabriele Gawlich , Angelika Oetken, Maren Ruden

Unzureichende Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches gegen Kindesmissbrauch durch die verantwortlichen Politiker und Politikerinnen, nachlassendes Engagement der zu­ständigen Ministerinnen, sich für die Belange von Missbrauchsopfern einzusetzen

Wir, die o. g. Autoren und die mitunterzeichnenden Unterstützer stellen fest, dass nach ca. drei Jah­ren öffentlicher Diskussion in Bezug auf sexuelle Gewalt gegen Kinder in Institutionen und Fami­lien keine nachhaltige und ausreichende Verbesserung der Situation der Betroffenen erzielt wurde. Die Betroffenen haben weder eine angemessene Entschädigung erhalten, noch wurden verbindliche Regelungen entwickelt, nach denen Entschädigung und Unterstützung zu erfolgen haben.

Und anstatt dies - wie geplant - in der Bilanzsitzung des Runden Tisches gegen Kindesmissbrauch am 12.12.2012 zu konstatieren und zu diskutieren, wurde diese Sitzung abgesagt, um den Abgeord­neten im Bundestag die Möglichkeit einzuräumen, ein Votum in Bezug auf die in der Öffentlichkeit umstrittene, nicht-medizinisch indizierten Zirkumzision an Jungen abzugeben.

Dies empfinden wir als Skandal.

Die deutsche Regierung wurde bis jetzt ihrer Verantwortung aus der Vergangenheit gegenüber Kin­dern nicht gerecht. Zusätzlich hat sie die UN-Kinderrechtskonvention bis heute nur unzureichend implementiert und umgesetzt.

In unserem Land leben fast 68 Millionen Erwachsene. Achteinhalb Millionen davon sind als Kinder und Jugendliche Opfer von sexuellem Missbrauch im strafrechtlich schweren Sinne geworden. Alle diese Menschen sind Steuerzahler, mehr als sieben Millionen von ihnen wahlberechtigt. Viele Be­troffene zahlen außerdem Beiträge zu den Sozialversicherungen.

Eine große Anzahl Betroffener war bereit zu sprechen. Wir haben der Bundesregierung unser ge­sammeltes „Fachwissen“ zur Verfügung gestellt, um entsprechende Empfehlungen und politische Beschlüsse optimal erarbeiten zu können. Dies alles ehrenamtlich, neben unserer Erwerbsarbeit und trotz der verschiedenen Einschränkungen (körperliche und seelische) die wir aufgrund des Miss­brauchserlebens in der Kindheit mit uns tragen.

Wir haben z.T. Erholungsurlaub und ungezählte Stunden Freizeit in dieses Ehrenamt investiert. Dies verdeutlicht, dass wir Betroffene bereit sind, unseren Beitrag an der Arbeit mit diesem zentralen ge­sellschaftlichen Thema zu leisten: die momentane Bilanz können wir jedoch nur als Abwertung bzw. Nichtwürdigung unseres ehrenamtlichen Engagements betrachten.

Wir fordern die Regierung daher auf,

    • noch vor Ende der Legislaturperiode eine Verbesserung der Situation der Betroffenen auf den Weg zu bringen (z. B. das „Zusätzliche Hilfesystem“, u.a.);

    • noch vor Ende der Legislaturperiode eine gesetzliche Regelung zu den Verjährungsfristen im straf- und zivilrechtlichen Bereich zu verabschieden;

    • für die Umsetzung sämtlicher Empfehlungen des Runden Tisches „Sexueller Kindesmiss­brauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtun­gen und im familiären Bereich“ verbindliche Zeitrahmen festzulegen und in regelmäßigen Abständen vor dem Bundestag darüber Rechenschaft abzulegen;

    • Kinderrechte vollständig anzuerkennen und umzusetzen;

    • dafür zu sorgen, dass Täter und Institutionen, die vorsätzlich bzw. fahrlässig Miss­brauchstaten befördert oder geduldet haben, dafür juristisch und finanziell zur Verantwor­tung gezogen werden;

    • die ausreichende Finanzierung der Fachberatungsstellen zu sichern und zu verstetigen;

    • die ehrenamtliche Tätigkeit der Betroffenen zu unterstützen.

Unterzeichner:

Christian Bahls, Erster Vorsitzender MOGiS e. V. - Eine Stimme für Betroffene

Frank Ehmke

Jacqueline Ehmke, "sexualisierte Misshandlung Betroffenenteam"

Gabriele Gawlich, Zweite Vorsitzende MOGiS e. V. - Eine Stimme für Betroffene

René Gorig - lilaschwarz Selbsthilfe NETZWERK, Gründungsmitglied/Medienreferat, Alte Schule

Matthias Katsch, „Eckiger Tisch“

Sigrid Kumberger

Kerstin Ludwig, MOGiS e.V. - Eine Stimme für Betroffene

Astrid Mayer, www.con-texte.de

Sarah Mohn

Angelika Oetken

Maren Ruden

Hermann Schell, schafsbrief.de

Renate Schusch, stellv. Vorsitzende Aktivverbund e.V., www.aktivverbund.de

Monika und Dr. Henning Stein

Christian Thibault, Mitbegründer „Eckiger Tisch“

Alfred und Ursula Werner

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